Borussia Mönchengladbach hat eine turbulente Saison hinter sich

und sich dieses Mal nicht europäisch qualifiziert. Unser Autor Klaus-Hendrik Mester zieht aber einen weiteren Fokus bei seinem Rückblick auf die Bundesliga-Saison in Corona-Zeiten.

Saisonbilanz 2020/21: Borussia Mönchengladbach

Die rheinische Borussia hat bis zum letzten Spieltag um den Einzug in die europäischen Wettbewerbe gekämpft. Genau das war für mich als Fan immer das wesentliche Merkmal für eine erfolgreiche Saison. So habe ich es in den letzten 40 Jahren empfunden.
Doch nun ist es anders. Mich hat die vergangene Saison enttäuscht. Dafür verantwortlich sind weder die sportliche Leistung der Mannschaft noch der medial gehypte Wechsel von Trainer Marco Rose zum BVB. Das fußballerische „Auf und Ab“ empfinde ich als normal. Teilweise erspielten sich die Fohlen mit tollem Offensiv-System die Herzen der Anhänger. Ein Zwischentief mit wenig Kampfgeist, Kreativität und Spielwitz sorgte für Fan-Frust. Und auch das „Trainer-Thema“ sehe ich recht entspannt: Warum sollte es gerade im Millionengeschäft Fußball anders zugehen als in allen anderen Branchen unserer Wirtschaft? Wenn mehr Gehalt lockt, wechseln viele Arbeitnehmer und nehmen einen neuen, lukrativeren Job an.
Das scheint banal, führt aber zum eigentlichen Thema: Das Millionengeschäft. Ich spüre eine zunehmende Entkopplung der Akteure des Profifußballs von den Fans. Die Corona-Pandemie wirkte da wie ein Brennglas. Wäre es nicht ein Zeichen von Mitmenschlichkeit und Solidarität gewesen, wenn die DFL eine konzertierte Spendenaktion an Bedürftige, Krankenhäuser, Pflegeinrichtungen oder gemeinnützige Institutionen organisiert hätte? Hätten sich nicht lokale Einrichtungen, von der öffentlichen Tafel bis hin zu Obdachlosenvertretungen über Zuwendungen gefreut?
Viele Spieler und Vereinsverantwortliche spendeten privat. Aber ein breit angelegtes, millionenschweres, konzertiertes Hilfsprojekt hätte ich mir von den Bundesligaclubs gewünscht.
Stattdessen beantragten einige Vereine selbst staatliche Corona-Hilfen, bekamen Sondergenehmigungen für die Durchführung der Spiele und jetteten mitten in der Pandemie zu Europapokalbegegnungen. Den vorläufigen Höhepunkt bildete der Ruf aus München, Bundesligaprofis bevorzugt und vorab gegen das Corona-Virus zu impfen. Die Marketing-Slogans einiger Vereine wie etwa „Echte Liebe“ oder „Wir leben dich“ wirken in diesem Kontext wie ein Hohn.
Frei nach dem Motto The Show must go on zieht der Bundesliga-Zirkus weiter. Als Fußball-Romantiker blicke ich etwas melancholisch auf meine Kindheit in den 1980er Jahren zurück. Merchandising-Artikel beschränkten sich auf Tassen, Schals oder bezahlbare Trikots. Eintrittskarten gab es am Kassenhäuschen vor Ort. Nur die Curry-Wurst schmeckt heute im Borussia-Park besser.
Natürlich war früher nicht alles besser. Überdachte, komfortable Arenen sorgen für Wohlfühlerlebnisse. Der höhere Anteil von Frauen und Familien im Stadion mildert das dortige Agressivitätsniveau. Doch heute geht die Verbindung zwischen den Vereinen und seinen Fans verloren. Die Bundesliga entwickelt sich mehr und mehr zur Blase.
Die Entwicklungen des „modernen Fußballs“ lassen sich kaum zurückschrauben. Wie in nahezu jedem Bereich der Wirtschaft regiert das Geld die Welt. Mehr Einfluss der Anhänger in Vereinsgremien, die Etablierung von Fanprojekten, die Diskussion um eine Gehaltsobergrenze der Spieler („salary cap“) und eine solidarischere Verteilung der Fernsehgelder unter den Clubs bilden Reformansätze. Allein die konsequente Umsetzung fehlt.
Aus den jüngsten Entwicklungen des Profi-Fußballs ziehe ich meine Konsequenzen. Zugegeben im kleinen Stil. Natürlich bleibe ich immer Borussia Mönchengladbach-Fan. Ich besuche auch die Spiele weiter. Nur zukünftig ausgewählt. Stattdessen nehme ich mir vor, mehr kleine Vereine vor Ort zu unterstützen und mir dort Fußballspiele anzusehen.
Support your local team!

Klaus-Hendrik Mester ist Mönchengladbach-Fan, obwohl er in Düsseldorf lebt, und hat im Arete Verlag bereits drei Bücher veröffentlicht: “Fußball leben im Ruhrgebiet”, das für den Deutschen Fußballbuch-Preis nominierte “Vom Stadion zur Arena” und ganz aktuell “Die coolsten Clubs der Welt. 40 besondere Vereine rund um den Fußball-Globus”.