Wie das Buch „Ein Hund hätte dem Spiel gutgetan“ zu seinem Titel kam
Ein Hund hätte dem Spiel gutgetan
Oberliga Hamburg
Altona 93 vs. FC Union Tornesch
Samstag, 26.08.23, 15:30 Uhr
Endstand: 1:1
Wenn jemals das Sprichwort zutreffend gewesen wäre, dass ein Hund dem Spiel gutgetan hätte, dann heute.
„Mooo-ment, heißt es nicht: Ein Tor hätte dem Spiel gutgetan!?“
Gut, ein Tor hätte natürlich auch geholfen.
In der 54. Minute wird das Spiel wegen eines plötzlich und unerwartet und obendrein frei herumlaufenden Hundes unterbrochen. Ein erfrischendes Element.
Spielfreude auf vier Beinen.
Der Hundehalter ist allerdings bald zugegen und mit dem Hund verschwindet auch die Hoffnung auf ein Spiel der besonderen Art.
Die Unterbrechung wird zu einer spontan anberaumten Trinkpause umgewidmet. Es geht dann ähnlich weiter wie vorher: Die einen rennen an und verdaddeln Angriff um Angriff, die anderen bolzen den Ball weg.
Wahrscheinlich hätte aber auch eine partielle Sonnenfinsternis der Heimmannschaft heute nicht geholfen; es gibt solche Tage.
Auch ein knappes 1:0 nehme ich aber gerne in Kauf, denke ich, bis im Verlauf der Nachspielzeit die Gästefans den Schiedsrichter drängen, endlich abzupfeifen.
Und ausgelassen jubeln, als der Schlusspfiff ertönt.
Die warmen Worte des Stadionsprechers, der uns mit einem Unentschieden einen guten Heimweg wünscht und damit ein Tor mehr als ich gesehen hat, stürzen mich in eine ernsthafte Krise.
Was, wenn das jetzt eine dieser demenziellen Episoden ist?
Erste Abmahnung mit 58: ohne Hose vor der Klasse.
Pflegeheim mit 60.
Ich bin schon fast an der Elbchaussee angelangt, als mir begreiflich wird, wo der Fehler liegt.
Einfach mal eine Station früher aussteigen und sich auf unbekannten Wegen durch Ottensen durchschlagen, das war rückblickend keine gute Idee gewesen!
Endlich angekommen, hatte ich minutenlang in der Schlange vor den Kassenhäuschen warten müssen, mühsam meine Verzweiflung unterdrückend ob in umständliche finanzielle Transaktionen verwickelter Gestalten vor mir.
Wir lernen: Apple-Pay geht nicht.
Der Kumpel hat auch kein Bargeld dabei oder tut so – wie die ersichtlich nur um des lieben Friedens mitgelatschte Frau mit Glitzer im Gesicht: sie wartet stoisch darauf, dass sich nichts klärt.
Genügend Zeit, meine handwarmen acht Euro noch ein paarmal zu zählen, damit ich sie gleich wortlos auf den Tresen legen kann, vielleicht einen lässigen Kommentar dazu abgebend, alter Hase, der ich bin, notorisch gut vorbereitet, im Gegensatz zu manchen hier. Während das alles passiert, ist es erstaunlich ruhig auf dem Platz.
Weil alle genervt sind von dem frühen Gegentor, das wir verpassen, aber das weiß ich da noch nicht.
Als ich schließlich im Trupp der Zuspätkgekommenen zu den Stehplätzen schleiche, brüllt ein Fan in das verdächtig leise Stadion:
„KANNDOCHWOHLNICHTWAHRSEIN!!“
Rückblickend ein eindeutiger Hinweis.
Ich trotte hinter den Bargeldlosen her, weil sie mir eine Schneise durch die Menge schlagen und weil ich wissen will, was es mit dem Glitzer auf sich hat.
So werde ich an diesem Nachmittag Ohrenzeuge der mäandernden Erzählungen des Gatten, von Glitzer und dem Ex von Bine.
Glitzer informiert erstmal darüber, dass die Fotos von der Hochzeit schon bei YouTube hochgeladen seien. Er (Ex von Bine) könne sich die da angucken.
Der reagiert wenig begeistert. Inzwischen ahne ich, wo der Hase im Pfeffer liegt: Er war nicht eingeladen und das Treffen hier mit seinem Kumpel und dessen frisch Angetrauter ist der Versuch, diese Entscheidung nachträglich noch kumpelhaft zu bemänteln.
Der Kumpel/Gatte ergänzt, dass das neulich ein anderes Paar gemacht habe, Fotos einstellen. Einer der Gäste habe das ausgenutzt, um eigene Fotos in den Ordner mit hochzuladen, und zwar: Pimmelbilder.
GATTE: „Die Eier rechts und links so hochgedrückt.“
GLITZER stöhnt betreten.
Der folgende Kommentar macht dann deutlich, warum sie darauf bestanden haben dürfte, dass der Ex nicht eingeladen wurde:
EXVONBINE: „Geil! Hab ich neulich auch gemacht. So ähnlich.“
Interessanter Trend, denke ich; wahrscheinlich was auf TikTok. Und dann denke ich: was soll das aber genau heißen: so ähnlich? – Ohne das Eierhochdrücken?
Jetzt ist bei dem Gespräch erstmal die Luft raus.
Gelegenheit für einen Kommentar zum Spielgeschehen.
GATTE: „Streckt ihn nieder!“
EXVONBINE: „Steh auf, du Simulant!“
GATTE: „NAGELBETTENTZÜNDUNGODERWAS!?“
Beide lachen.
EXVONBINE: „Ende Juli hab ich mich von Bine getrennt. Heftiger Cut. Bei Facebook blockiert und bei Insta.“
GLITZER und GATTE schweigen betreten.
EXVONBINE bemerkt, dass das Gespräch nicht so recht in Gang kommt und schwärmt daher jetzt von Bratislava.
EXVONBINE: „Von Wien kann man meeega nach Bratislava fahren, mit dem Speedboot. Nur 30 Euro. Bier 3 Euro. Soll man auf dem Oberdeck eigentlich nicht trinken, haben wir aber natürlich trotzdem gemacht.“
Die später von dem Trip geposteten Bilder von Pimmeln im Fahrtwind denken wir uns mit.
An den letzten Tagen des Sommers tragen viele Shirts, auf denen des stillen und folgenlosen Boykotts der Fußballweltmeisterschaft in Qatar erinnert wird. Die sind, weil der Protest während der Winterpause stattfand, kaum getragen, was ja auch schade ist.
Deutlich origineller dagegen, was auf einem anderen Shirt zu lesen ist:
Gegen Sandalen!
Bine, wenn du das hier liest: Sei froh!
Entnommen dem Buch „Ein Hund hätte dem Spiel gutgetan“ von Johannes Stahl; erhältlich im Buchhandel und im Arete-Shop.
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