Der Sportjournalist Michael Jahn hat mit Hertha-Legende Nello Di Martino das Buch „Grande Nello: Ein Leben für Hertha BSC und Bella Italia“ im Arete Verlag veröffentlicht. Hier sprechen sie über ihr Kennenlernen, Berlin, Hertha BSC und die italienische Küche.

Michael, kannst Du Dich noch an die erste Begegnung oder das erste Gespräch mit Nello erinnern? Wann war das? In den Neunzigern? Zweite Liga? Was war Dein erster Eindruck?
Michael Jahn: Ja, das ist natürlich sehr lange her. Das muss Anfang der 1990er Jahre gewesen sein. Ich glaube in der Saison 1990/91, als Hertha in der Ersten Bundesliga ein kurzes Intermezzo gab und mit Werner Fuchs, Pal Csernai, Peter Neururer und Karsten Heine vier Trainer verschliss. Nello saß ja als Torwarttrainer auf der Bank. Er machte auf mich einen sympathischen und kompetenten Eindruck. Aber damals hatten wir noch nicht viel miteinander zu tun. Das passierte erst später.

Und Du, Nello, was hast Du damals über Michael gedacht? Noch so ein Journalist, der nur Interna von mir hören will?
Nello Di Martino: Ich kannte ihn damals Anfang der 1990er Jahre noch nicht. Man musste stets vorsichtig sein, mit wem man spricht, wie die Journalisten ticken. Erst später haben wir uns näher kennengelernt.

Nello, noch einmal einen großen Schritt zurück: Du bist 1971 als 19-Jähriger aus Italien nach Berlin gekommen. Was wusstest Du damals über Berlin und die Hertha?
Nello Di Martino: Eigentlich nichts. Null! Es war ja auch viel Zufall dabei, als ich damals nach Berlin kam. Ich war jung, voller Träume als Profi und abenteuerlustig.

Michael, Du warst über Jahrzehnte fast in jedem Sommer- und Wintertrainingslager der Hertha, die meistens von Nello organisiert waren. Wie hast Du ihn dort jeweils wahrgenommen? Wie ging er zum Beispiel mit Stress oder möglichen Pannen um?
Michael Jahn: Ich war in exakt 33 Trainingslagern im Winter und im Sommer dabei. Nello bei über 150 oder sogar noch mehr. Die meisten hat er ja als Verantwortlicher organisiert. Er war unterwegs stets der Kopf und hatte immer alles im Griff. Mein Eindruck: Er behielt auch in schwierigen Situationen die Ruhe und den Überblick. Wenn man ihm freundlich und sachlich begegnete als Journalist war er immer zugänglich. Interna aber hat er nie verraten. Daran hat er sich immer zu 100 Prozent gehalten. Je länger ich als Journalist dabei war, desto enger wurde unser Kontakt. Nello sah mich dann in meiner späten Zeit als Hertha-Reporter als so etwas wie den „Elder statesman“ der Hertha-Journalisten an und wandte sich auch ab und an mich, wenn es etwa Probleme mit den Kollegen gab. Nello war bei allem Stress den er hatte, immer ansprechbar und half, wenn er konnte.

Nello, Du hast sportlich tolle Hertha-Jahre in den Siebzigern erlebt, dann Abstiege in den Achtzigern bis in die Berliner Oberliga, wo Du sogar noch viermal als Torhüter aushelfen musstest. Dann wieder Champions League Ende der Neunziger und in den letzten 15 Jahren ein ständiges Auf und Ab. Gibt es trotzdem so etwas wie eine Hertha-DNA, die einzigartig für diesen Verein ist? Und gibt es in Italien einen vergleichbaren Club?
Nello Di Martino: Eine Klub-DNA? Das ist eine schwere Frage. Es geht um Menschen, die sich mit Hertha identifizieren. Profis, die das Emblem auf dem Trikot küssen und danach schnell einen neuen Verein suchen, gehören nicht dazu. Es geht um Leidenschaft und zum Verein in guten wie in schlechten Zeiten halten. In Italien gibt es solch eine Art DNA wohl am besten bei Inter Mailand, Juventus Turin und AC Milan.

Michael, Hertha ist ein notorisch unruhiger Verein, der ähnlich wie die Stadt Berlin ständig im Umbruch und von Skandalen bedroht ist – und mittendrin seit 1971 Nello als Fels in der Brandung. Könnte Hertha mehr solche Typen gebrauchen und wer hätte das Zeug dazu? Oder ist das naiv, weil jetzt die Zeit eine andere ist und zu viel Geld im Spiel ist? Was sagen uns die Beispiele Preetz, Dardai und jetzt Zecke und warum ist Nellos Vita so anders?
Michael Jahn: Weil Nello ein ganz anderer Typ ist. Er ist dem Verein gegenüber total loyal und lebt für die Hertha. Natürlich hätte Hertha mehr solche Persönlichkeiten wie Nello gut gebrauchen können. Nello kannte immer seinen Platz, drängte nicht in die erste Reihe, wollte aber in seinem Job auch der Beste sein – als Torwarttrainer oder als Teammanager. Und ihn zeichnet seine Ehrlichkeit und seine große Hilfsbereitschaft aus. Unzählige Profis konnten auf Nello bauen.

Ihr habt Euch für das Buch – zumindest offiziell – immer zu „Arbeitsessen“ im Restaurant „Via Vai“ in der Reichsstraße getroffen? Was sind Eure persönlichen Empfehlungen von der Speise- und Weinkarte?
Nello Di Martino: Dort gibt es nicht nur gute Pasta, auch Fleisch- und Fischgerichte. Vor allem ist alles absolut frisch, weil es eine Salumeria ist. Die Weinkarte ist üppig, da gibt es alles – von leicht bis schwer, von Weißwein, über Rotwein bis Rose. Viele unserer Hertha-Trainer gehören dort zu den Stammgästen.
Michael Jahn: Im Via Vai schmeckt – glaube ich – alles sehr gut. Ich liebe vor allem Pasta in allen Variationen. Die Atmosphäre ist sehr schön, sehr locker und familiär und äußerst angenehm. Alle – vom Besitzer Donato Sportelli bis zu jedem Kellner – sind sehr freundlich und kompetent. Man fühlt sich ein bisschen wie in Italien – und man trifft dort oft Fußballer…

Ein gedrucktes Buch ist ja immer auch ein kleines Vermächtnis. Welche kleine Botschaft würdet Ihr gerne mit „Grande Nello“ vermitteln – außer dem Spaß beim Lesen?
Michael Jahn: Eine Botschaft kann lauten: Man kann im Leben mit ehrlicher Arbeit und großem Engagement viel erreichen- so wie es Nello gelungen ist. Er ist beliebt und anerkannt nicht nur bei Hertha BSC, sondern im deutschen Fußball und natürlich auch im Fußball Italiens. Und das hat schon Seltenheitswert.
Nello Di Martino: Michael hat ja auf diese Frage eigentlich alles gesagt. Es geht um eine klare Linie, die man verfolgen muss, wenn man für einen Fußballklub tätig ist. Und man sollte alles mit Leidenschaft tun.

Vielen Dank für Eure Zeit und vielleicht gibt es ja noch einmal eine Lesung in Berlin – gerne auch mit Wein, Pasta und Nellos Gesang. Das fänden bestimmt viele schön!

Das Buch „Grande Nello“ ist 2024 erschienen und im Buchhandel, im Shop von Hertha BSC und im Webshop des Verlags erhältlich.

Michael Jahn schreibt eine wöchentliche Kolumne zu Hertha BSC für den Berliner Kurier und die Berliner Zeitung.